Titel

Schicksalsfund in Apulien
Kleines Sternchen “Stella Piccolina“

Es gibt Urlaubsreisen, die ganz anders verlaufen als geplant. Zum Beispiel, wenn das Schicksal die Rettung eines kleinen Hundes in Süditalien vorsieht…

Mit drei großen Hunden eine Urlaubsreise zu machen, ist keine einfache Angelegenheit. Zufällig bekamen wir eine verlockend klingende Urlaubs- Anschrift von Süditalien von „Peschicki“ auf dem Gargano/Apulien : Ein Haus mit großem Garten, abseits vom Tourismus in einem großen Olivenhain gelegen, 10 Autominuten vom Meer entfernt. Ein Traumziel mit besten Voraussetzungen für einen erholsamen Urlaub mit unseren nicht ganz einfachen Hunden. Max und Clara, Mischlings-Geschwister aus Deutscher Dogge/Berner Sennenhund, sowie Daisy, eine Podenco-Mischlings- Hündin. Zugegeben 1350 km würden eine lange Fahrt werden, aber mit einer Übernachtung ginge es.

•• Urlaubsziel mit vielen Pluspunkten ••

Und noch ein wesentlicher Pluspunkt dieses Urlaubsziels: Unsere Gastgeberin Edith Robl aus Berlin führte dort ein Tierheim – eine Zufluchtsstätte für die Ärmsten der Armen. So konnte man hoffen, im Umkreis keinem Tierelend zu begegnen. Vor 15 Jahren hatten wir aus Korsika die kleine Strandhündin Libelle mitgenommen. Daisy hatte ich vor sieben Jahren aus Teneriffa mitgebracht. Sie hatte dort ein elendes Kettenhund – Dasein geführt. Ich wusste, aus diesem Urlaub durfte ich keinen Hund mit nach Hause nehmen, denn drei Vierbeiner waren genug. Wir buchten das Haus und traten voller Erwartung eine Woche nach Pfingsten unsere Reise an. Die Fahrt verlief gut, Haus und Umgebung waren wunderschön. Einem erholsamen Urlaub stand nichts mehr im Wege.

•• Ein kleiner Welpe auf der Straße ••

Am zweiten Urlaubstag erkundeten wir abends die Einkaufsmöglichkeiten im Ort. Auf dem Rückweg zum Feriendomizil passierten wir eine kleine Baustelle und fuhren langsam. Da sah ich plötzlich einen kleinen struppigen Hund, der ziellos auf der Straße umherirrte – ein Welpe! Wir hielten an, und ich lief hin, aber der Kleine floh die Böschung hinauf, durch das Gestrüpp der südlichen Maccia. Ich hatte Angst ihn aus den Augen zu verlieren, warf mich auf den Boden und lockte mit leiser Stimme. Da kam das struppige Etwas, kaum größer als eine Katze, vorsichtig heruntergekrochen und wedelte heftig mit der dünnen Rute. Der ganze Körper drückte Angst aus, aber da hatte ich das magere Wesen auch schon genommen. Ich war auf heftige Gegenwehr gefasst, aber der kleine Hund verhielt sich ganz still. Es war eine kleine Hündin, und nach den spitzen Zähnchen zu urteilen, etwa 10 Wochen alt.

•• Die Versorgung des kleinen Gastes ••

Meine Gedanken überschlugen sich. Es musste möglich sein, sie mit nach Deutschland zu nehmen, um ihr dort ein gutes Zuhause zu suchen. In unserem Ferienhaus angekommen, wurde der kleine Findling den anderen Hunden vorgestellt. Zunächst gaben wir unserem kleinen Gast Wasser und etwas Futter, das er gierig nahm. Es wurde schnell dunkel, und die kleine Hündin verhielt sich mäuschenstill, während ich ihr struppiges Fell von Kletten Gestrüpp und unzähligen Zecken befreite, die an allen möglichen und unmöglichen Stellen saßen: in den Ohren bis zum Gehörgang,  den Augen, und sogar zwischen Zehen und Ballen. Über ihren kleinen, nackten Bauch rannten die Flöhe. In der Nacht kratzte sie sich erbärmlich und weinte und Knurrte dabei vor Zorn. Draußen ging ein schweres Gewitter nieder. Wir waren froh, dass wir die Hündin gefunden hatten und sie in Sicherheit bringen konnten. Mein Mann und ich fragten uns immer wieder, woher sie kam, ob sie aufgewachsen war, und wo sie Wasser gefunden hatte. War sie weitab vom nächsten Ort ausgesetzt worden? Oberhalbder Fundstelle entdeckten wir eine Müllhalde, als wir am nächsten Tag noch nach Wurfgeschwistern suchten. Vergeblich. Sie  wurde entwurmt und entfloht, wog 3,5 Kilo, und wir nannten sie Stella (Stern), war sie doch buchstäblich vom Himmel gefallen.

•• Harmonisch verlaufende Eingewöhnung ••

Unser Findelkind brachte unsere ganze Urlaubsplanung  durcheinander. Da es für den kleinen Hund dort viel zu heiß war, fuhren wir noch stundenweise an den Strand. Ansonsten hielten wir uns nur im Haus und im Garten auf. Nachdem Stella zwei Tage geschlafen und gefressen hatte, wurde sie zusehends munterer. Sie verlor ihre Scheu unseren großen Hunden gegenüber, während diese ihr noch aus dem Weg gingen. Max, unser großer Rüde, bekam viele Ermahnungen. Wir hatten ständig Sorge, Stella würde überrannt. Es dauerte Tage, bis wir unsere große Angst verloren, einer der großen Hunde könnte eifersüchtig reagieren und die Zähne gebrauchen. Schließlich waren Max und Clara mit ihren zwei Jahren noch stürmische Junghunde und gänzlich Welpen- unerfahren. Aber es ging besser, als wir dachten. Stella wurde innerhalb von Tagen stubenrein. Sie litt allerdings unter Durchfall, und ich konnte ihr daher nur magerste Kost geben, was sie dazu brachte, sich ständig selbst Futter zu organisieren. Die großen Futtersäcke hatten es ihr angetan. Nichts war vor ihr sicher. Sie fraß Käfer und fing Nachtfalter und am Strand kam sie an keinem angespülten Krebs vorbei. Sie wußte ganz genau was freßbar war, hatte sie sich doch draußen schon ernähren müssen.

Die weißen Pfoten, die Brust, der Körperbau und die weißen Tupfen um die Nase deuteten  darauf hin, dass ein Bretone (Epagneul Breton) zu ihren Ahnen gehörte, so wie bei unserer Hündin Libelle, die vor einem Jahr gestorben war. Stellas Jagdtrieb, typisch für diese Rasse, war unverkennbar. In dieser Gegend Italiens hielt man sich kleine Jagdhunde zur Vogeljagd.

Stella2

Stella sah jeden Tag niedlicher aus, und am Strand wurde sie von den italienischen Urlaubern immer begrüßt mit “Bella“, „Bellissima“, und „Piccolina“. Im Gegensatz zu unseren drei großen Hunden war sie Menschen und Hunden gegenüber aufgeschlossen. Sie spielte mit allem was sie fand, und teilte unseren Urlaub, als hätte sie immer zu uns gehört.

•• Kopfzerbrechen nach dem Urlaub ••

Aber auch dieser Urlaub, der so ganz anders verlief als geplant, ging einmal zu Ende. Nach zwei Wochen machten wir uns (nun mit vier Hunden) in aller Herrgottsfrühe auf den Heimweg. Diesmal fuhren wir durch und kamen nach 15 Stunden mit zwei Unterbrechungen wohlbehalten zu Hause an.

Nun begann Stellas neues Leben! Sie staunte über den weichen Rasen und flog durch die Blumenbeete. Es gefiel ihr hier. Der Durchfall war von einem auf den anderen Tag verschwunden. Endlich vertrug sie gutes Welpenfutter und erholte sich rasch. Das harte Fell wurde immer weicher und seidiger. Nach drei Wochen wog sie das Doppelte. Wir hatten bis dahin nicht über ihre weitere Zukunft gesprochen. Drei Hunde waren viel, vier fast untragbar. An eine geplante Weitervermittlung war noch nicht zu denken, standen doch die tierärztlichen Untersuchungen auf südliche Erkrankungen, (insbesondere Leishmaniose) aus. Der Gedanke an eine Trennung schmerzte. Andererseits wie sollte das mit vier Hunden gehen?

•• Behalten oder weitervermitteln? ••

Stella integrierte sich in unser Leben mit einer Selbstverständlichkeit, als wüsste Sie, was für sie auf dem Spiel stand. Ich erinnerte mich an Libelles Geschichte. Vor 15 Jahren hatten wir die herrenlose Hündin vom Strand mitgenommen, drei Wochen bei uns gehabt und dann weggegeben.“Wie konnten wir nur?“ fragte ich mich jahrelang. Sie war bei ihrem neuen Herrchen nicht glücklich gewesen. Nach fünf Monaten konnte ich sie zu uns zurückholen. Auch damals war unser Abgabegrund „Ein Hund zu viel“ gewesen. Sollten wir noch einmal so herzlos sein? Nein! Stella sollte bleiben. Das i-Tüpfelchen zu unseren großen Hunden. Nun stellte ich mich wieder auf “Kinder-Erziehung“ und Welpen-Spielstunden ein. Unser Sommer verlief ganz anders als geplant. Aber diese kleine Hündin, so schien es, hatte in Apulien auf jener Straße auf uns gewartet, und wir nahmen die lange Fahrt auf uns, um ihr Leben zu retten. Als sei unsere süße Stella Piccolina – kleines Sternchen – ein Gruß der fernen Libelle.