Titel

Die Rettung eines alten Jagdhundes

Kennen Sie das Vorurteil über alte Hunde: Es lohnt sich nicht für so einen alten Hund; er hat sein Leben gelebt und er lernt nichts mehr. Am Beispiel von Falko, einem alten Kettenhund erfuhr ich in einer beglückenden Tierschutz-Arbeit das Gegenteil. Er führte ein ödes, einsames Dasein und bewahrte sich dennoch seine Anpassungsfähigkeit.

Falko war ein Vorstehhund, ein Deutsch Kurzhaar, den man gerne als Begleiter eines Jägers sieht. Er lag an der Kette, zwar nicht an einer kurzen, sondern an einer Laufkette, die vom Dach einer Scheune herabhing, vor der seine Hütte stand. Sie ermöglichte ihm ein paar Meter Bewegungsfreiheit, aber was ist das schon für so einen lauffreudigen Jagdhund. – Er war sichtlich sehr alt – seine Schnauze war ganz weiß, aber körperlich war er noch in gutem Zustand.

Als ich ihn an diesem Frühlingstag aufsuchte, lag er dösend in der warmen Sonne. Dieser friedliche Anblick und der schöne Maitag trugen sicher dazu bei, dass ich die Haltung nicht als so bedrückend empfand, wie sie in Wirklichkeit war. Den Sommer über fuhr ich des Öfteren vorbei. Durch den Vorsprung vom Scheunendach hatte der Hund etwas Schatten, stellte ich zu meiner Beruhigung fest.

Als es Herbst und das Wetter zunehmend ungemütlicher wurde, sah alles gar nicht mehr so gut aus. Die Tage wurden kürzer. Mich beschlich Sorge, wenn ich an die langen, kalten Regentage und den Winter dachte. Vor allem die Einsamkeit wurde augenscheinlich, da sich ringsum das Leben mehr und mehr in die Hauser zurückzog. Seine Hütte lag weitab vom Wohnhaus entfernt, auf der anderen Straßenseite. Niemand schien sich um den Hund zu kümmern. Mit dem Sonnen war es vorbei. Der Boden war hart und kalt, ohne Unterlage. Das war keine Haltung fur so einen alten, kurzhaarigen Hund.

Wir machten vom Tierheim aus einen offiziellen Besuch bei dem Halter des Hundes, einem Bauern. Als er einige Auflagen bekam, meinte er barsch ,,dem Hund fehlt es an nichts“ und schon im Gehen rief er uns noch nach ,,Sie können ihn ja mitnehmen!“. Diese Bemerkung ließ mich nicht mehr los. Er will den Hund nicht mehr, aber wohin mit ihm? Wer würde ihn nehmen? Einen alten Baum verpflanzt man nicht!

Als ich nochmals vorbeikam, hatten sich durch Dauerregen, tiefe Wasserrinnen rund um die Hütte in dem grundlosen Boden gebildet. Als der Bauer wieder hinterherrief ,,Nehmen Sie ihn doch mit“ begann in mir der Gedanke zu reifen, den Hund dort wegzuholen. Mich verfolgte der Anblick des alten Hundes, der auf dem nassen, kalten Boden stand und sich nirgends hinlegen konnte in dieser trostlosen Umgebung.

Zwei Tage vor Weihnachten holte ich Falko ab. Meine Zweifel waren weg. Der Bauer unterschrieb die Verzichts-Erklärung und war sichtlich erleichtert, ihn loszuwerden. Ich erfuhr nur noch, dass Falko einen Vorbesitzer gehabt hat. Der Bauer hatte kein Wort für den Hund und der Hund schaute ihm nicht nach, als ich ihn von der Kette nahm. Auf der Fahrt ins Tierheim stand Falko im Auto, er war verunsichert. Es tat mir weh, als ich im Tierheim die Zwingertür hinter ihm schloss, aber ich musste nach den Feiertagen erst nach einer besseren Lösung für ihn suchen.

Ich ließ ihn beim Tierarzt gründlich untersuchen. Für sein Alter war er noch sehr fit, abgesehen von einem schwachen Kreislauf und Ohrmilben, die ihn sicher schon lange plagten. Dass er taub war, hatte ich bereits gemerkt. Bei dem Lärmpegel der oft im Tierheim herrschte, fast ein Segen. Bei der Gelegenheit hatte ich seine Tätowier-Nr. im Ohr entziffert. Ich konnte es kaum erwarten, von dem Züchter, den ich ermitteln konnte, etwas über das Vorleben des Hundes zu erfahren. Er war aus guter Zucht und inzwischen fast 15 Jahre alt. Bei seinem ersten Besitzer, den ich aufsuchte, wurde er gut gehalten, lebte im Haus und wurde zur Jagd geführt. Umso schlimmer war es, als er mit etwa fünf Jahren wegen Trennung verkauft wurde und in so schlechter Haltung landete. Damit waren seine guten Zeiten vorbei. Seine Zähne, die restlos abgebissen waren, zeugten von der Verzweiflung, Langeweile und Einsamkeit der langen Jahre.

Nun lebte Falko sichtlich auf imTierheim. Aber vor allen Dingen liebte er die täglichen Spaziergange mit mir, oder meiner Freundin
Gudrun. Wir wechselten uns ab. Es waren schöne sonnige Wintertage. Anfangs lief er noch unsicher und breitbeinig, aber er wurde zusehends geschmeidiger und seine Muskulatur baute auf. Eines Tages sagte Gudrun zu mir „Man kommt mit seinem flotten Schritt kaum noch mit“. Jeder war freundlich zu ihm im Tierheim. Er liebte seinen warmen Korb, frisches Wasser und die regelmäßigen Futterzeiten.

Er lernte andere Hunde kennen und verliebte sich in unsere süße kleine Collie-Mischlingshündin, die jedem Rüden den Kopf verdreht. Falko war freundlich zu jedermann, baute aber keine Bindung mehr zu uns auf.

Anfang März fand sich ein passendes Zuhause für ihn, auf einem alten Bauernhof bei Tierfreunden in Niederbayern. Dort sollte er im Haus leben und endlich Freiheit genießen. Es war noch sehr winterlich, als wir, seine beiden Paten, Gudrun und ich ihn dorthin brachten. Inzwischen hatte er sich an das Autofahren wieder gewöhnt. Am Ort begrüßte er ungezwungen die anderen Hunde, mit denen er zusammenleben würde. Er ging ins Haus, legte sich aufs Sofa und war Zuhause. Seine enorme Anpassungsbereitschaft beeindruckte mich sehr.

Nur knapp vier Wochen genoss er es, ein- und ausgehen zu können, den großen Garten, mit seiner Freundin – der Doggen-Hündin „Leva“ auf dem Sofa zu liegen und sich immer mal streicheln zulassen, wegen seiner Verschlossenheit immer wieder erstaunt über diese Zuwendung.

Leider erlebte er es nicht mehr, die Sonne im Freien genießen zu können. Ein großer Tumor am Magen beendete sein langes, trauriges Leben. Auch wenn es nur ein paar Monate waren, die ihm verblieben – trotzdem – es hat sich gelohnt.

error: Dieser Inhalt ist geschützt!