Titel

„ Kein Hund für schwache Nerven…“

Zwar erwies sich Max in der Familie als ungefährlicher, liebevoller Vierbeiner, doch ihre Befürchtung, der Vorfall könnte sich Fremden  gegenüber wiederholen, begleitete  die Tierfreundin auf Schritt und Tritt …

Max kam als Welpe, im Alter von sechs Wochen, gemeinsam mit fünf Geschwistern, drei Rüden und zwei Hündinnen, und seiner Mutter namens Blade ins Tierheim. Blade war eine bildschöne Mischlingshündin von eineinhalb Jahren aus Fila Brasileiro und väterlicherseits Deutschem Schäferhund. Sie war schon drei Monate zuvor kurz in Pflege im Tierheim gewesen. In dieser interessanten Zeit hielt sie sich unbeobachtet in einem der großen Ausläufe auf. Mit dabei: Tierheim Hund Bärli, ein Mix aus Berner Sennenhund und Husky. Da muss es wohl zum Decken gekommen sein, denn drei Monate später wurde sie zusammen mit ihren Welpen im Heim abgegeben.

Max, der erstgeborene, und kräftigste Welpe wurde zuerst vermittelt und zwar an eine Familie mit zwei Kindern und einer blonden Hovawart Hündin. Ich hätte gerne die Mutterhündin zu meinem Mann und mir genommen, aber ich wagte es nicht: Unsere eigenen Hunde waren schon alt und ich wollte ihnen keinen Neuzugang vor die Nase setzen. Als einer der weiblichen Welpen, im Alter von acht Wochen, starken Durchfall hatte und deshalb dringend in ein ruhiges Zuhause kommen sollte, um gesund zu werden, nahm ich diese kurz entschlossen mit zu uns nach Hause. Sie war die kleinste aus dem Wurf und die Letztgeborene, wie ich von der ehemaligen Besitzerin erfuhr. In meine Jacke gekuschelt, eng an mich geschmiegt, fuhr sie an diesem kalten Novembertag in ihr neues Leben. Wir nannten sie Clara, manchmal auch Clärchen

•• Treffen der Halbstarken ••

Als die sechs Hunde ein halbes Jahr alt waren, luden wir alle Besitzer dieses Wurfes mit ihren Zöglingen ins Tierheim ein. Blade, ihre Mutter, wartete noch immer auf ein passendes Zuhause. Sie wurde dort von mir betreut. Wir trafen uns in einem der großen Ausläufe Im ehemaligen alten Tierheimgelände. Hier konnte sich die Rasselbande nach Herzenslust austoben und ihre Frauchen und Herrchen standen außerhalb der Einzäunung und plauderten miteinander und tauschten Erfahrungen aus.

Nur einer der Junghunde spielte nicht mit: Max, er hielt lieber engen Kontakt zu seinen Leuten. Da sah ich ihn das erste Mal. Da er so schnell vermittelt wurde, hatte ich ihn als Welpe nicht gesehen. Ich ahnte nicht, dass er einmal unser Begleiter sein würde. Bei dem Treffen der Hunde mit ihren Haltern wirkte alles so harmonisch und doch sollten vier von ihnen einen Besitzerwechsel erfahren. Nur zwei Wochen nach dem Treffen wurde Max im Tierheim abgegeben. Er war derart auf sein Frauchen fixiert gewesen, dass er unter anderem ihre Jacke zerriss, als er länger im Haus auf sie warten musste. Nachdem er auf die Kinder uriniert hatte, war das Maß voll, und die Familie trennte sich von ihm. Im Tierheim setzte man den Hund zu seiner Mutter in den Zwinger. Er wirkte völlig verzweifelt.

Endlich fand ich ein passendes Zuhause für Blade, seine Mutter. Es war schon ein Kunststück, den Hund zu vermitteln, denn ich wollte die Rasse in der Zeitungsanzeige nicht erwähnen, weil diese zu den Listenhunden gehörte. Im Tierheim wusste man zwar, dass Blade von einer Fila Brasileiro-Hündin abstammte, aber sie wurde als Mischlings-Hündin geführt. Vom Äußeren her war sie absolut ein Fila, eine Brasilianische Dogge. Wesensmäßig sicher auch, denn ich hatte von der Vorbesitzerin erfahren, dass sie viel Schutztrieb hatte, was typisch für diese Rasse war. Blade hatte ihr Frauchen immer vor ihrem Mann beschützt. Deshalb legte ich Wert darauf, dass der neue Halter Kenntnisse von der Abstammung seiner Hündin haben würde. Ich hatte das Glück, Molosser-Anhänger für Blade zu finden, die erfreut den Fila Brasileiro in der Hündin erkannten.

•• Begegnung mit der Hunde-Trainerin ••

Nun ging die Suche für einen passenden Platz für Max weiter, mit dem gleichen Rasseproblem wie bei seiner Mutter. Max war jetzt ein knappes Jahr alt und ein prachtvoller großer Hund mit einer Schulterhöhe von etwa 70 cm. Um zu sehen wie er sich im Haus zeigt, nahm ich ihn einmal mit zu uns nach Hause. Clara kannte er schon von Spaziergängen her, im Tierheim-Gebiet. Sie war inzwischen ein Teenager. Die beiden anderen Hunde wurden solange weggesperrt.

Ausgerechnet an dem Tag besuchte mich eine Hundetrainerin, um bei mir etwas abzuholen. Es war ein heißer Sommertag, die Türen standen offen, und wir hielten uns gemeinsam mit den Hunden auf der Terrasse auf. Die Trainerin war ganz begeistert von Max und versprach, sich in ihrem großen Hunde-Bekanntenkreis nach Interessenten für ihn mit umzusehen. Max legte sich auf den Boden und bot mir seine Bauchseite zum Streicheln an. Die Trainerin nahm diese Aufforderung für sich persönlich an, bückte sich spontan und liebkoste ihn. Max sprang blitzschnell auf und knurrte. Die Frau war in ihrer Ehre so verletzt, dass sie genauso schnell reagierte und mit beiden Händen den Hund grob an der Schulter packte, um ihn in die Knie zu zwingen. Es waren nur Sekunden, da hatte er sie auch schon abgewehrt und mit seinem starken Gebiss in beide Handgelenke gebissen. Die Wunden bluteten stark. Ich war zutiefst erschrocken, verband sie notdürftig und fuhr die Verletzte umgehend zum nächsten Notarzt. Ich war innerlich wütend und fassungslos über die Unbeherrschtheit der Trainerin, die sie selbst so verwundet und mich so mit dem Hund in eine missliche Lage gebracht hatte. Sein Knurren hätte Warnung genug sein müssen, mit einem so starken Hund sich nicht anzulegen. Mir wurde klar, dass Max sich zu mir gehörig gefühlt und das häusliche Umfeld seinen Schutztrieb geweckt hatte.

Währenddessen brachte mein Mann Max zurück ins Tierheim. Nachdem ich die Tierheimleiterin von dem Geschehen in Kenntnis gesetzt hatte, versuchte ich in einem Schreiben zu erklären, dass Max kein bissiger Hund sei, auch wenn er gebissen hatte, sondern dass es spezifisch für diese Rasse wäre, eine Berührung durch Fremde nicht zu dulden. Ich war mir nicht sicher, ob sie einen Unterschied zu anderen gefährlichen Hunden erkennen konnte, aber sie wusste, dass ich alles versuchen würde, für ihn die richtigen Leute zu finden. Ich fragte mich aber, wie sollte ich den Hund jemandem geben, wenn er sich in meiner Gegenwart von keinem Fremden anfassen ließ? Nach dem Vorfall würde niemand von den Mitarbeiterinnen im Tierheim den Hund vermitteln wollen. Max war nun schon fast ein halbes Jahr dort, und ging täglich mit den unterschiedlichsten Menschen spazieren, ohne dass jemals etwas passiert war, aber es gab ja auch nichts zu beschützen. Von da an durfte er nur noch mit Männern spazieren gehen.

•• Mit Max beim Molosser-Treffen ••

Schon vierzehn Tage später fuhr ich mit Max zu einem Molosser-Treffen nach Wetzlar. Mir war eigentlich nicht klar, was ich dort wollte. Ich hatte einfach das Bedürfnis gehabt, mit Menschen zusammen zutreffen, die sich mit solchen Hunden wie Max auskennen. Ich setzte auf den Zufall, auf neue Erkenntnisse und auf Hilfe, um aus der Sackgasse in der ich mich mit dem Hund befand, herauszufinden. Ich buchte ein Zimmer in einem Hotel und holte Max am frühen Morgen im Tierheim ab und fuhr mit ihm nach Wetzlar. Nachdem ich mein Zimmer in Augenschein genommen hatte, ging ich mit ihm in das Restaurant zum Mittagessen. Da ganz Wetzlar unter dem Hundeereignis stand, traf man überall große Hunde mit ihren Besitzern und sie wurden auch in Lokalen toleriert. So hatte ich die Möglichkeit, mich mit dem Hund im städtischen Bereich zu bewegen, ohne zu befürchten unangenehm aufzufallen. Ich war erstaunt, wie führig er war. Das „Will to please“ hatte er in hohem Maße. Er wollte gefallen, und ich merkte, dass es mir große Freude bereitete, mit ihm umzugehen.

Am Abend nahm ich mit Max im großen Saal an der Versammlung teil. Er verhielt sich mustergültig und niemandem wäre aufgefallen, dass er das erste Mal mit mir zusammen unter Menschen war. Hier ergab sich nichts für mich, und mir wurde klar, dass das der falsche Personenkreis für meine Probleme war. Alles drehte sich nur um reinrassige Hunde. Wieder in meinem Zimmer, hatte ich für ihn eine Matte vor mein Bett gelegt. Würde er ruhig sein in der Nacht? Es war ja alles neu für ihn und auch für mich. Jedes Mal, wenn ich mich im Bett umdrehte, klopfte er mit seiner kräftigen Rute auf den Boden und gegen das Bett – vor Freude. Am nächsten Morgen telefonierte ich mit Dirk, meinem Mann, und berichtete ihm, dass sich hier nichts ergeben würde, dass ich es aber nicht mehr über das Herz brächte, den Hund zurück ins Tierheim zu geben. „Was soll ich nur mit dem Hund machen?“ Er sagte nur einen Satz: „Bring ihn mit!“

•• Max, ein Familienhund ••

Es war September, unsere beiden Hunde-Geschwister waren gerade ein Jahr alt, als Max bei uns einzog. Schade um die sechs Monate, die er im Tierheim verbringen musste, aber es hatte auch etwas Gutes, denn der Umgang mit den vielen Hunden hatte ihn auf seinesgleichen gut sozialisiert. Er lebte sich wunderbar bei uns ein. Max war ein sehr liebevoller, folgsamer Hund. Abends, wenn er unter dem Tisch vor dem Sofa lag, hatte ich jetzt immer seine dicke Pfote in der Hand. Das einzige Problem war, dass ich ein Trauma hatte durch den Beißvorfall mit der Trainerin. Ich brauchte Zeit, bis ich lernte, ohne allzu große Hemmung im Alltag mit ihm zusammen mit Menschen umzugehen. Ich wusste, er durfte nie unangenehm auffallen, noch durfte es zu einer behördlichen Überprüfung von ihm kommen. Es wäre sein Todesurteil gewesen. Er konnte noch so folgsam sein, er würde sich von keinem Fremden anfassen lassen. Max hatte sich zu einem prachtvollen Hund entwickelt, und manch einer sagte es ihm auch: “Du bist aber ein Schöner!“ Nein, nein das konnte er nicht hören. Vor allem nicht den direkten Blick in seine Augen. Ich fürchtete den Zufall, dass plötzlich jemand ihn streicheln würde.

 

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Max war drei Monate bei uns, da hatten wir zu Weihnachten ein Familienfest geplant. Wir machten eine besondere Tischordnung. Gäste die ängstlich waren, setzten wir an dem langen Tisch mit dem Rücken zur schützenden Wand. Personen, die vor Max keine Angst hatten, saßen mit dem Rücken ungeschützt zum Wohnraum. Es war ein schönes Fest und Clara und Max verhielten sich mustergültig. Es dauerte eben, bis ich begriff, dass Max zu Menschen die bei uns ein und aus gingen, besonders zu Familienmitgliedern absolut ungefährlich war.
Wenn die Eltern von Dirk sonntags zum Mittagessen kamen, brachte sein Vater Leckerchen für unsere Hunde mit. Seine Selbstverständlichkeit war für Max so entwaffnend. Er freute sich, wann immer er kam. Die beiden wurden dicke Freunde. Beim Mittagessen am Tisch saß Max neben dem alten Herrn, den großen Kopf vertrauensvoll auf seinen Arm gelegt, und es schien, als würden beide vom gleichen Teller essen. Auch Dirks Schwester und der Hund waren ein Herz und eine Seele. Wenn Max so im Familienkreis mit am Esstisch saß, strahlte er. Noch bei keinem Hund habe ich es so, wie bei ihm empfunden „Max konnte lachen.“ Er wusste wer zur Familie gehört.

 

•• Meine Schwester und Max ••

Als Max noch nicht lange bei uns war, hatte ich beruflich in der Schweiz zu tun. Ich nahm ihn mit, und meine Schwester, die nicht so hundenärrisch war wie ich, schloss sich uns an. Als wir abends ein Hotel nahmen und auf unser Zimmer gingen, machte sich mein „Trauma“ wieder bemerkbar. Ich machte mir Sorgen: Wie würde Max reagieren, wenn meine Schwester im Nachbarbett von mir liegen würde? Er kannte sie ja kaum. Da kam Max zu mir mit einem Söckchen, dass er bei meiner Schwester nach dem Entkleiden geklaut hatte. Als ich es greifen wollte, um es ihr zurückzugeben, drehte er sich um, tänzelte zu ihr zurück, und drückte ihr das Söckchen in die Hand. Da wusste ich, dass meine Ängste unbegründet waren. Meine Schwester mochte den Hund und hatte ja auch nichts Belastendes mit ihm erlebt.

Am nächsten Morgen ließ ich Max nach einer Morgenrunde in der Tiefgarage in meinem Auto, einem Kombi. Meine Schwester war schon im Frühstücksraum. Wir waren etwas spät gekommen, und der Raum leerte sich. Nach dem Frühstück fiel mir ein, dass ich noch Wasser für den Hund holen sollte. Ich brauchte die Wasserflasche aus dem Auto, versprach dem wartenden Hund, gleich wieder da zu sein, und nahm dann die Treppe um Wasser zu holen. Es waren einige Stockwerke bis zu unserem Zimmer. Ich hatte mir noch die Hände gewaschen, und so war doch etwas Zeit vergangen, bis ich wieder zu meiner Schwester in den Frühstücksraum kam. Als ich die Tür öffnete, traute ich meinen Augen kaum, denn neben ihr saß Max, ohne Leine. Sonst war niemand von den Gästen im Raum. Die Bedienung saß in voller Deckung hinter dem Tresen. Ich fragte fassungslos: “Wie kommt der Hund hierher?“ Was war passiert? Ich nahm meinen Gürtel als Leine und brachte Max sofort nach unten zum Auto. Da sah ich dann, dass ich in der Eile und schlechten Beleuchtung die vordere Seitentür des Autos nicht ganz geschlossen hatte. Max war der Luftzug wohl aufgefallen, war nach draußen geklettert und gemeinsam mit anderen Leuten die Treppe hinaufgelaufen. Was für ein Glück, dass er nicht mit auf die Straße gelaufen war, sondern dank seiner guten Nase, er unsere Spur verfolgte und den Frühstücksraum mit meiner Schwester fand. In all der Fremdheit eine vertraute Person! Sie berichtete mir, wie beglückt er zu ihr geeilt war und sich neben sie gesetzt hatte. Meine Schwester sah ja, wie ich ihn stets absicherte, möglichst noch mit einem Halti, und nun hatte sie, völlig unkundig im Umgang mit Vierbeinern, so einen kapitalen Hund neben sich sitzen gehabt. Dass Max die Treppe gelaufen war, gemeinsam mit fremden Gästen, zeigte mir wieder, dass nichts passierte, wenn er alleine war und es niemanden zu verteidigen gab.

•• Freude am Baggersee ••

Max war eine Wasserratte. Im Sommer fuhr ich mit ihm gerne an den Baggersee. An schönen Sommertagen holte er sich heimlich sein Wasserdummy und schlich damit durchs Haus, in der Hoffnung, dass ich ein Einsehen hatte. Schon auf der Fahrt zum See geriet er in Ekstase. Er schrie und schluchzte und man musste es humorvoll nehmen, um es auszuhalten. Unsere arme Podenco-Mix Hündin Daisy, die immer mit zum Wasser fuhr, trug es mit Fassung. Auf dem Fußweg dorthin konnte ich ihn gefahrlos laufen lassen. Noch heute sehe ich ihn, wie er mit flatternden Ohren vorauseilt. Wenn es ans Wasser ging, war er ein anderer Hund. Zum Glück gehörte für ihn das Dummy dazu. Sein Großvater mütterlicherseits war ja ein Deutscher Schäferhund gewesen. Möglicherweise hatte er von ihm die sportliche Veranlagung, das Apportieren, Suchen, seine Folgsamkeit und auch das ausgeprägte „Will to please“.

Am Baggersee war es im Sommer brechend voll. Da erlosch sein starker Schutztrieb. Hier in der Menschenmenge war die Überreizung so groß, dass es nichts zu beschützen gab. Er spielte mit dem Dummy im Sand am Ufer. Weil ich es ihm nicht mehr werfen wollte, er war ja fast süchtig, schlich er einmal zu einem Mann, der oberhalb vom Ufer stand und gedankenverloren auf den See hinaus sah und drückte ihm das Dummy in die leere Hand. Ein anderes Mal sah er drei Frauen in der Bucht im Wasser Ball spielen, er lief hin und spielte mit. Die Frauen waren begeistert von ihrem vierbeinigen Mitspieler. Niemand hatte Angst vor diesem großen Hund. Es waren so viele Hunde am See und die Stimmung war gelöst. Hier gab es nichts zu beschützen.

Wenn wir am Nachmittag dann zum Auto zurückgingen, nahm ich Max an die kurze Leine und sicherte ihn noch zuzüglich mit dem Halti ab. Unsere Daisy von Teneriffa durfte weiter frei laufen. Das Fest war vorbei, und jetzt hieß es aufpassen, denn es kamen sprungweise Menschen vom See, die auch zurück zum Parkplatz gingen. Niemand hätte geglaubt, dass das derselbe Hund war, der da im Wasser mit den Frauen Ball gespielt hatte.

Clara hatte ein anderes Wesen als Max. Sie war ein lieber Hund und weniger emotional. Von ihr ging auch bei Fremden keine Gefahr aus. Sie begleitete Herrchen mit zur Arbeit. So hatte sich alles gefunden. Auch ihre Wurfschwester Olga war ein problemloser Hund. Scheinbar hatten nur die Rüden einen so starken Schutztrieb gehabt wie Max.

•• Urlaub am Wörthersee ••

Im September mietete ich zusammen mit meiner Schwester ein Appartement am Wörthersee. Ich erwähnte gleich, dass wir einen Hund mitbringen würden. Die Vermieterin war sehr freundlich und meinte: „Das macht nichts“. Ich wusste, dass Max am Wasser ein freundlicher Hund war, deshalb hatte ich Wert auf ein Haus dicht am Wasser gelegt. Es führte ein Weg von unserer Unterkunft hinab zum Wasser. Am nächsten Tag machten wir eine Tretboot-Tour. Max lag hinter uns auf der Ladefläche. Als wir zurückkamen und uns auf die Liegewiese legen wollten, fiel es mir wie Schuppen von den Augen: Hier konnte der Hund nicht so entspannt sein, wie am Baggersee, denn der Weg führte von unserem Domizil direkt an den See, und damit war alles sein Territorium, dass er bewachen musste. Außerdem fehlten hier die vielen Menschen.

Als unsere Wirtin nachmittags ein Picknick auf dem Bootssteg mit ihrer Familie machen wollte, versperrte Max ihnen den Weg. Von da an verließen wir an den folgenden Tagen zur Kaffeezeit sicherheitshalber den See, denn Max hätte sie auf keinen Fall auf den Steg gelassen… Es waren trotzdem schöne Tage. Man muss bei so einem Hund nur die Spielregeln beachten!

Am letzten Tag gingen wir wieder in ein Restaurant zum Essen. Max legte sich unter den Tisch und die Tischdecke, die an vier Seiten herunterhing, verdeckte ihn fast. Der Ober kam, um die Bestellung aufzunehmen. Er wollte noch die Kerze auf unserem Tisch anzünden, doch dann fiel ihm das Streichholz aus der Hand, und er bückte sich um es aufzuheben. Leichenblass kam er wieder nach oben. Wir waren genauso erschrocken wie er und hatten die Luft angehalten. Er muss Max beim Bücken direkt in die Augen gesehen haben. Wir waren froh, dass nichts weiter passiert war, und der Mann nur mit dem Schrecken davonkam. Er hat die Kerze nicht mehr angezündet.

•• „Wen die Götter lieben …“ ••

Max war fünfeinhalb Jahre alt, als wir mit den Hunden an den Gardasee fuhren. Gegen Ende des Urlaubs fing Max an zu husten. Auf telefonisches Anraten unseres Tierarztes holten wir Medikamente für eine Bronchitis. Mir fiel auf, dass die Konturen seines Bauches etwas schwammig waren, und ich nahm mir vor, ihn in Kürze gründlich untersuchen zu lassen. Ich dachte noch „es ist Halbzeit“. Nach unserer Rückkehr aus dem Urlaub, der Husten hatte sich gelegt, holte ich mir einen Termin in der Arzt-Praxis. Als ich dort war und mit dem Hund dem Tierarzt begegnete, sagte dieser im Vorbeigehen und ganz spontan: „Der Hund ist herzkrank“. Es folgte eine Ultrachall-Untersuchung des Herzens. Dafür musste Max sediert werden. Nun wusste ich Bescheid. Es war nichts mit Halbzeit. Innerhalb einer Stunde hatte ich einen todkranken Hund.

Der Veterinär gab Max noch fünf Monate zu leben. Ich wusste, dass ich mir keine Hoffnung zu machen brauchte, dass er sich irrt. Er hatte sich noch nie geirrt. Max hatte von Geburt an einen Herzfehler. Es war Wasser in seinem Bauch gewesen. daher die schwammige Kontur. Ich hatte immer nur die nötigsten Tierarztbesuche mit ihm gemacht. Es stresste ihn ungemein, sich anfassen zu lassen, aber er begriff, dass es sein musste. Auf der Heimfahrt vom Arzt jammerte Max immer noch leise vor sich hin. Er hatte sich zu sehr zusammenreißen müssen, wenn er angefasst wurde. Ich musste dann immer an die Ballade „ Erlkönig“ von Goethe denken: „ … Jetzt fasst er mich an, Erlkönig hat mir ein Leids getan!“. Es waren genau fünf Monate vergangen, als wir den Tierarzt baten, den Hund bei uns zu Hause zu erlösen. Er hatte noch am Vortag sein geliebtes Dummy im Maul gehabt und fallen gelassen.

Ich hatte mich immer davor gefürchtet, ihn durch eine Unachtsamkeit, oder durch eine nicht bestandene Wesensprüfung zu verlieren. Ich bin dankbar für die Zeit mit diesem sanften, liebevollen, stolzen Hund. Wie heißt es doch: „Wen die Götter lieben, den holen sie früh zu sich.“